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"Lieber Geld verlieren als Vertrauen." (Robert Bosch)
Das sagte der erfolgreiche deutsche Industrielle Robert Bosch bereits im vergangenen Jahrhundert. Doch der kluge Satz kennzeichnet auch heute noch die Basis von erfolgreichen Unternehmungen und glaubwürdiger Kommunikation. Zweifellos wird das Image einer Unternehmung unter anderem über den öffentlichen Auftritt und das Corporate Design aufgebaut. Ob das, was in hochglänzenden Broschüren und vollmundigen Werbeversprechen behauptet wird, aber wirklich stimmt, entscheidet sich jedoch nicht erst mit dem Erwerb des Produktes oder der Dienstleistung, sondern wenn der Kunde oder die Kundin mit den Mitarbeitenden einer Firma in Kontakt tritt. Jeder einzelne Mitarbeitende repräsentiert für die Kundschaft "das Unternehmen". Am Kontakt mit den Mitarbeitenden wird der Kunde festmachen, ob seine Erwartungen erfüllt wurden und das Werbeversprechen eingehalten wurde.
Kundenkontakt basiert auf Kommunikation. Dabei geht es nicht primär um die Sachebene, sondern um die Beziehungsebene. Produkte und Dienstleistungen an sich ähneln sich inzwischen sehr. Aber das Gefühl, das damit verbunden ist, macht den entscheidenden Unterschied. Und hier liegen die grossen Chancen der positiven Beziehung zwischen Anbieter und Kunden. Der Kunde will nicht einfach ein Produkt oder eine Dienstleistung erwerben, er möchte sich in seinen Bedürfnisse verstanden fühlen und eine für ihn persönlich optimale Lösung. Das erfordert kommunikatives Geschick, ehrliche Freundlichkeit und Engagement auf der Seite des Dienstleisters.
Nehmen wir wieder ein konkretes Beispiel zu Hilfe. Markus Hoffmann gönnt sich einen Städtetrip nach Norddeutschland und setzt auf ein 5-Stern-Grandhotel, das auf mit folgenden Aussagen in seinem Webauftritt wirbt: "Was ein Luxus Hotel ausmacht? Bei uns tritt der Gast in eine Welt ein, in der er im Mittelpunkt steht und sich einfach wohl fühlen kann. Unsere exklusiv und individuell eingerichteten Zimmer und Suiten, eine anspruchsvolle Küche mit einer überregional bekannten Weinkarte sowie ein in Norddeutschland einzigartiges Wellness Center bilden den perfekten Rahmen für einen unvergesslichen Aufenthalt. Und dafür engagiert sich jeder einzelne von uns täglich aufs Neue." Entsprechend hoch sind Hoffmanns Erwartungen.
Als der freundliche Bellboy ihn auf seiner Zimmer der Superior-Kategorie begleitet, laut Beschreibung renoviert und im Haupttrakt des Hotels, bekommen Hoffmanns Erwartungen den ersten Dämpfer. Das Zimmer riecht sehr muffig, wirkt dunkel und befindet sich im Untergeschoss des Seitentrakts, eine Renovierung hätte das Zimmer dringend nötig. Auf seine Frage, ob dieses ein Superior-Zimmer sei und wann das denn renoviert wurde, antwortet der Bellboy: "Das ist ein Themenzimmer, die sind grösser als die normalen Einzelzimmer. Das wird dann jetzt im Sommer renoviert. Im Haupttrakt ist heute eine Veranstaltung mit 1000 Gästen. Das wird laut. Für die Zimmervergabe bin ich auch nicht zuständig. Sie können gern die Rezeption anrufen." Ein Anruf bei der Rezeption ergibt, dass das Hotel ausgebucht ist und man leider erst morgen nach einer anderen Lösung suchen kann. Kurze Zeit später meldet sich die Rezeption noch einmal und bietet Hoffmann ein "sehr schönes" Einzelzimmer im Haupttrakt an, das wegen einer Annullierung eben frei geworden sei. Bei der Besichtigung stört Hoffmann zwar wiederum der muffige Geruch, aber immerhin liegt das Zimmer zum Park und wie versprochen im Haupttrakt. Allerdings macht auch dieses Zimmer nicht den Eindruck, in den letzten vier Jahren renoviert worden zu sein. Auf sein Nachfragen erwidert der Bellboy: "Keine Ahnung, wann das zuletzt renoviert wurde."
Als Markus Hoffman sich nach einem Nachtessen in der Altstadt um Mitternacht zur Ruhe in sein Zimmer begibt, muss er feststellen, dass der Ballsaal genau unter seinem Zimmer liegt und Bässe sein Zimmer vibrieren lassen. Er schafft es trotzdem, irgendwann einzuschlafen, bis er dann morgens um 5 Uhr von den lauten Stimmen offensichtlich angetrunkener Veranstaltungsbesucher geweckt wird, die sich auf dem Parkplatz direkt unter seinem Zimmer lauthals verabschieden, Autotüren knallen, Motoren springen an. Eineinhalb Stunden später kommen dann Lieferwagen, die die Veranstaltungstechnik abholen, ein lautes Hin und Her von Rollwagen beginnt. Um 7.00 Uhr steht Hoffmann dann gerädert auf und geht zur Rezeption. Dienstbeflissen nimmt der Angestellte dort Hoffmanns Unzufriedenheit zur Kenntnis und verspricht eine andere Lösung am Nachmittag. Beim Frühstück trifft Hoffmann auf weitere unzufriedene und übernächtigte Gäste. Eine erneute Nachfrage an der Rezeption ergibt, dass Hoffmann ein Zimmer auf der anderen Seite des Haupttrakts bekommt, aber wiederum zum Parkplatz - und am Abend findet ein grosser Abitur-Ball statt. Hoffmann besteht nun auf einem Zimmer zur ruhigen See-Seite. "Da muss ich erst den Rezeptionschef fragen", entgegnet die Angestellte mit leicht unterkühltem Unterton und unter Vermeidung von Blickkontakt. Immerhin bekommt der Gast dann am Abend endlich das Zimmer, das er erwartet hat: ruhig, mit Seeblick und im Unterschied zu den beiden anderen Zimmern offensichtlich renoviert. Das, was man in der Kategorie erwarten kann - mehr nicht. Die Erwartungen nach mehreren Anläufen erfüllen - das ist für ein Hotel in der Luxusklasse zu wenig. Dort muss man mehr tun, als einfach Erwartungen erfüllen, ganz zu schweigen, wenn ein solches Hotel nicht mal die Erwartungen erfüllt. Es ist klar, dass Gast Hoffmann die vollmundigen Versprechungen des Hoteldirektors auf der Homepage nicht mehr glauben kann. Davon, dass er als Gast im Mittelpunkt steht und sich die Mitarbeitenden dafür engagieren, dass er einen unvergesslichen Aufenthalt hat, hat er nichts gemerkt. Unvergesslich schon, aber nicht im positiven Sinn. Das Vertrauen hat er verloren. Wie vielen Leuten wird er von seinem Erlebnis in dem Hotel erzählen? Robert Bosch hatte also recht: besser Geld verlieren als Vertrauen.
Dabei hätte es ja auch - mindestens kommunikativ - anders laufen können. Die Mitarbeitenden hätten dem Gast zeigen müssen, dass ihnen sein Wohlergehen am Herzen liegt, durch ihre Sprache und Körpersprache (z.B. Blickkontakt). Wie anders wäre die Situation so verlaufen: "Oh, das tut mir wirklich leid, Herr Hoffmann, dass Sie eine so unruhige Nacht hatten. Wir werden alles daran setzen, dass Sie heute Nacht ruhig schlafen können. Darf ich Sie als kleinen Ausgleich für die Unannehmlichkeiten zu Kaffee und Kuchen auf der Terrasse einladen?"
© Gunhild Hinkelmann, fair communication, Wettingen
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