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Der Februar steht für Liebe, Leidenschaft und Hingabe – verbunden mit dem Valentinstag und Liebesbeweisen an die Angebetete oder den Angebeteten. Doch warum muss immer ein a) anderer und b) Mensch das Objekt der Begierde sein?
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich möchte hier kein Plädoyer für den totalen Ego-Trip und das Ausleben narzisstischer Triebe abgeben. Vielmehr geht es mir darum, Hingabe und Leidenschaft nicht einseitig mit Liebesbeziehungen in Verbindung zu bringen, sondern auch auf die Dinge zu beziehen, mit denen wir einen Grossteil unserer Lebenszeit verbringen, berufliche wie private Aktivitäten. Und auf die Person, mit der wir unser ganzes Leben verbringen: mit uns selbst.
Ein einschneidendes Erlebnis war für mich der Besuch eines Konzerts am Neujahrstag. Die absolute Hingabe der Musikerinnen und Musiker hat mich fasziniert. Man sah, wie sie in einer perfekten Performance völlig in ihrem Tun aufgingen und jeden Moment der Aufführung genossen. Unvorstellbar, dass einer der Aufführenden vorher gesagt hätte: „Oh je, heute Abend wieder der blöde Vivaldi. Und bei den schwierigen Passagen von Piazzolla greife ich bestimmt wieder daneben. Na ja, zum Glück ist bald Wochenende.“
Zweifellos liegt der leidenschaftlichen Aufführung harte Arbeit zugrunde, immer wieder werden die Künstlerinnen und Künstler besonders schwierige Stellen geübt und an Details gefeilt haben. Bloss werden sie diese Etuden nicht wirklich als Arbeit oder Last empfinden.
Ist das leidenschaftliche Vertiefen ein Privileg von künstlerischen Berufen? Nein, das gelingt allen von uns in Momenten, in denen wir völlig selbstvergessen einer Beschäftigung nachgehen. Wir gleiten ab in den Alpha-Zustand und vergessen Zeit und Raum. Während wir mit Leidenschaft und Hingabe ein tolles Abendessen kochen, während wir ein spannendes Buch lesen, während wir durch die Natur joggen, während wir mit Engagement etwas präsentieren oder uns in ein kniffliges Problem eindenken, während wir etwas zu einem interessanten Thema recherchieren. Blöderweise verfällt man auch leicht bei Tätigkeiten in den Alpha-Zustand, die man eigentlich nur schnell erledigen möchte wie z.B. Einkaufen im Supermarkt. Die Spezialisten aus dem Neuro-Marketing wissen, wie sie uns mit Musik, Gerüchen und trickreicher Platzierung von Sonderangeboten und bestimmten Produkten so entschleunigen, dass wir doppelt so viel Zeit im Supermarkt verbringen - und auch doppelt so viel einkaufen.
Vermutlich fallen Ihnen mehr Beispiele aus der Freizeit ein, bei denen Sie in den Alpha-Zustand verfallen. Sind Lust und Arbeit also Gegensätze? Dies wird gerne so suggeriert. Arbeit hat für viele Menschen Konnotationen wie anstrengend, mühsam, fremdbestimmt. Man freut sich auf den Feierabend und das Wochenende. Jeder Radiosender verfällt freitags in den Wochenendhype und die Idealisierung der Freizeit. Freizeit gleich Freiheit. Aber wozu nutzen wir die Freizeit dann? Fernsehen, Surfen im Internet, Shoppen, Faulenzen, aber auch Aufenthalt in der Natur, Zusammensein mit Freunden. Auf das Fernsehen entfallen aber im Durchschnitt immerhin 2.5 Stunden in der Deutschschweiz und 3.5 Stunden in Deutschland. Hinzu kommen noch, je nach Altersgruppe, ein bis zwei Stunden Surfen sowie 2.5 Stunden Radiohören. Medien sind also zweifellos ein grosser Zeitfresser. Wie oft ertappt man sich dabei, eben mal etwas im Internet nachschauen zu wollen und schlussendlich hockt man dann eine Stunde vor der Kiste. Denn man kann ja eben noch mal schnell die neusten Nachrichten anschauen und die Mails checken. Deshalb mein Tipp: Reglementieren Sie die Zeit, in der zuhause der Computer läuft. Und statt im Internet etwas nachschauen, einfach mal wieder zum Buch greifen und nachschlagen.
Die Medien geben uns zudem permanent Themen vor, über die wir nachdenken und kommunizieren: von Katastrophen und Kriegen, Kachelmanns sexuellen Vorlieben bis hin zu Kate und Wills bevorstehender Hochzeit und Alt-Achtundsechziger Rainer Langhans im Dschungelcamp. Welche Relevanz diese Informationen für unser Leben haben, ist äusserst fragwürdig. Deshalb mein zweiter Tipp: Statt über die Themen nachdenken, die uns die Medien vorgeben, einfach mal über sich selbst nachdenken. Wie kann ich mir selbst einen schönen Abend machen? Mit welchen Menschen bin ich wirklich gern zusammen? Welche Menschen langweilen mich hingegen? Und nach welchen Aktivitäten fühle ich mich nachher wirklich gut? Wie kann ich diese gezielt in mein Leben integrieren? Was kann ich dafür weglassen? Wie kann ich mir emotionale Kicks in meinem Alltagsleben verschaffen? Der ganze rosarote-Herzchen-Valentinshype mag ja für Frischverliebte ein prima Tummelfeld sein. Aber wie kann ich langjährige Beziehungen durch Überraschendes und Neues beleben? Wohl kaum durch etwas Materielles wie einen Strauss Blumen oder ein Parfum. Wie wäre es dagegen mit einem unerwarteten Rollenspiel? Statt am Wochenende in der Migros posten zu gehen, was wohl für die wenigsten mit erotischen Gefühlen verbunden ist, verabreden Sie sich mal zum High Tea in einem Nobelhotel. Natürlich mit getrennter Anreise, und beim Tee tun Sie so, als ob Sie sich gerade erst kennen gelernt hätten. Lassen Sie doch einfach mal Ihrer Phantasie freien Lauf.
Zurück zur Arbeit. Kann man die angebliche Last der Arbeit in Lust verwandeln? Sicher, wenn man den Blick auf die Sachen richtet, die einem wirklich Spass machen und die weniger lustvollen schnell und effizient erledigt. Und indem man gezielt nach Möglichkeiten sucht, seine Arbeit so zu gestalten, dass sie einem dieses Gefühl des Alpha-Zustands und der Leidenschaft vermittelt, das wir sonst nur mit der Freizeit verbinden.
Und noch ein kommunikativer Tipp zum Valentinstag. All das wäre doch ein perfektes Gesprächsthema für einen tollen Abend mit einem lieben Menschen. Glotze und Computer bleiben aus, stattdessen kann man zusammen ein feines Dinner basteln und ein gutes Glas Wein dazu trinken und sich darüber austauschen, wie man Leidenschaft und Hingabe tagtäglich lebt und Beziehungen durch neue Rollen und Perspektiven wieder belebt. In diesem Sinne: Möge Valentins Leidenschaft Ihnen einen fulminanten Februar bereiten.
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