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    Darf man oder darf man nicht?
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Juni 09 - "Darf man eigentlich ein kurzärmeliges Hemd mit Krawatte tragen?" oder "Darf man eigentlich den Salat mit Messer und Gabel essen?" Solche und ähnliche Fragen werden mir des Öfteren gestellt. Doch kann es im aufgeklärten 21. Jahrhundert noch um die Frage "Darf man" gehen?

Ich finde: nein. Nicht die Frage "Darf man?" ist hier angebracht, sondern die Frage "Wie möchte ich wirken?". Und darauf sollte der Fokus gerichtet werden, auf die individuelle Ausstrahlung und darauf, inwieweit ich den Erwartungen anderer entgegenkommen und entsprechen möchte - oder muss. Wenn ich im Dienstleistungsbereich arbeite, ist klar, dass ich mich an den Erwartungen meiner Zielgruppe orientieren muss. Wenn ich in einer Bank arbeite, erwartet die Zielgruppe seriöses Auftreten. Seriosität verbinden die meisten Menschen nicht gerade mit gepiercten Lippen und einem schwarzen BH unter einem hellen T-Shirt. Für die Servicefachkraft im Szenelokal dagegen spricht nichts gegen ein solches Outfit.

Auch in Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gibt es Regeln. Im Golfclub gibt es Kleiderregeln. Wer mit dieser Etikette ein Problem hat, sollte sich eine andere Sportart suchen. Und wer in einem Restaurant isst, sollte das so tun, dass er in der Öffentlichkeit eine gute Figur macht und Rücksicht auf das ästhetische Empfinden seiner Mitmenschen nimmt. Dazu gehören anlassgerechte Kleidung und gesellschaftskonforme Tischmanieren. Insofern ist es nützlich, gewisse Standards und Regeln im Bezug auf Umgangsformen zu kennen, denn sie geben einem Orientierung und Sicherheit. Doch Regeln müssen Sinn machen - und die Form darf nicht wichtiger sein als der Inhalt. Zweifellos verstaubt sind Kleiderregeln wie "Never brown after six" - es sei denn Sie bewegen sich in Kreisen des englischen Hochadels. Regeln sollen den Umgang miteinander erleichtern, damit man sich auf das Wesentliche konzentrieren kann: die Kommunikation, das Miteinander, den Austausch von Perspektiven. Und wer andere Menschen Nase rümpfend danach beurteilt, ob sie die Krawatte etwas zu lang gebunden haben oder das Brot in die Salatsosse dippen, hat selbst keinen Stil.

Doch welche Regeln entsprechen tatsächlich noch den modernen Umgangsformen? Dazu ein paar Beispiele von gängigen "Darf man-Fragen":

1. "Darf man den Salat schneiden?"
Selbstverständlich, es sei denn, der Salat besteht aus mundgerechten Stücken. Wenn Sie jedoch wunderbar drapierte riesige Salatblätter auf dem Teller haben, sollte man lieber zu Messer und Gabel greifen. Das wirkt in jedem Fall souveräner, als den Rest des Tages mit einer Balsamico bekleckerten Krawatte oder Bluse herumzulaufen.

2. "Darf man kurzärmelige Hemden mit Krawatte tragen?"
Natürlich darf man, sollte sich einfach bewusst sein, dass das im wahrsten Sinne des Wortes hemdsärmelig wirkt. Wenn Sie diese Wirkung für sich und den Kontext, in dem Sie sich bewegen, passend finden, dann werden Sie sich damit im Sommer wesentlich wohler fühlen.

3. "Darf man in geschlossenen Räumen Sonnenbrillen tragen?"
Nein. Gibt es einen vernünftigen Grund dafür, drinnen eine Sonnenbrille zu tragen? Mir fällt keiner ein. Ausser man heisst Angelina Jolie, Brad Pitt oder ist sonst ein VIP und will sich mit der dunklen Brille vor ungewollten Blicken und den Kameras der Paparazzi schützen. Oder man möchte so tun, als sei man Angelina Jolie, Brad Pitt, Pierce Brosnan usw.. Oder man ist Bodyguard und möchte sein Gesicht nicht zeigen. Oder man hat tränende Augen wegen eines Trauerfalls, einer Bindehautentzündung, eines Ehestreits oder eines Heuschnupfens. Wenn all das auf Sie nicht zutrifft, dann nehmen Sie die Sonnenbrille drinnen ab. Verzichten Sie auch darauf, die Sonnenbrille am Abend als Schmuck ins Haar zu stecken. Der Effekt ist gleich wie oben beschrieben.

4. "Darf man zum Kleid oder Rock im Sommer ohne Strümpfe gehen?"
Das kommt drauf an. Nein, wenn Sie sich tagsüber in einem sehr formellen Umfeld bewegen, sei es im Business oder in der Politik. Nein, wenn Sie zur Audienz beim Papst oder bei der Queen geladen sind.
Ja, wenn Sie bei kritischer Betrachtung vor dem Spiegel zunächst zum Schluss kommen, dass Ihre Beine gepflegt sind. Ja, generell wenn es abends ist. Zu Sandaletten und offenen Schuhen sehen Strümpfe sowieso nicht aus, egal ob abends oder tagsüber.

5. "Dürfen Männer kurze Hosen tragen?"
Das kommt drauf an. Tagsüber ja, abends nein - ausser Sie sind bei sich zuhause oder bei Freunden. Bei einem festlichen Anlass am Abend stehen Sie in kurzen Hosen mit abgesägten Hosen da. Grundsätzlich ist ein kritischer Blick in den Spiegel hilfreich, verbunden mit der Frage: "Sind meine Beine wirklich eine Augenweide für andere oder wirke ich mit langen Hosen angezogener?" Und sicher können Sie auch als Mann neidlos damit leben, dass Männerbeine einfach nicht so ansehnlich sind wie Frauenbeine.

Fazit: Nicht "Darf man das?", sondern "Wie will ich auf andere wirken?" ist die Frage, die man sich öfter stellen sollte. Und so kann man den hoffentlich sonnigen Juni dann entspannt geniessen, Salat essend und in kurzen Hosen, dann aber bitte ohne Socken und Sandalen.



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